München, Heidelberg - Wie zerbricht ein Wasserstoffmolekül in intensivem Laserlicht? Forschern des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg ist es jetzt gelungen, verschiedene Quantenwege, die zum Zerplatzen eines Wasserstoffmoleküls führen, auf einer bisher nicht zugänglichen kurzen Zeitskala zu visualisieren. Durch die Form der Laserpulse gelang es ihnen außerdem, die Moleküle auf bestimmte Quantenpfade zu zwingen - erste Schritte auf dem Weg zur gezielten Manipulation chemischer Reaktionen komplexer Moleküle.
Während in der klassischen Physik Ort und Geschwindigkeit eines Teilchens exakt bekannt sind, sind in der Welt der Quanten nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich. Ein bestimmter Aufenthaltsort oder der Weg von Elektronen oder Atombausteinen ist nur mit einer gewissen Gewissheit festgelegt. Seit der Entwicklung der Quantenmechanik ist es ein alter Traum, die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten direkt zu messen und ihre zeitliche Entwicklung zu verfolgen. Das Ziel ist, die Dynamik quantenmechanischer Systeme direkt sichtbar zu machen - zum Beispiel bei chemischen Reaktionen, die nichts anderes als quantendynamische Prozesse sind. Dahinter steckt die Hoffnung und Vision der Wissenschaftler, beispielsweise das Entstehen spezifischer chemischer Bindungen zu manipulieren und zu kontrollieren. Bei einer solchen Manipulation wird aus einer Vielzahl quantenmechanischer Wege, die zu einem bestimmten Ziel - dem gewünschten chemischen Bindungszustand - führen, ein bestimmter ausgewählt.
Das ist Forschern des Max-Planck-Institutes für Kernphysik in Heidelberg nun bei einer der einfachsten chemischen Reaktionen gelungen: der "Dissoziation" von Wasserstoffmolekülen in intensiven Laserfeldern. Dabei zerfällt ein Wasserstoffmolekül, das aus zwei Wasserstoffatomen besteht, in seine Bestandteile. Die Wissenschaftler visualisierten diesen Prozess auf einer bisher nicht zugänglich kurzen Zeitskala und bildeten dabei unterschiedliche Wege des Dissoziationsvorgangs ab. Durch gezielte Formung der Laserpulse erreichten sie es, dass das Molekül den einen oder anderen Weg bevorzugte; sie manipulierten so die Dissoziation.
Das Experiment
Ausgangspunkt der Messung ist molekularer Wasserstoff H2, dessen Moleküle nicht energetisch angeregt sind; sie bilden "Wellenpakete im Grundzustand". Mit einem ersten (Pump-)Laserpuls wird einem einzelnen H2-Molekül ein Elektron entrissen, es wird sehr schnell ionisiert (Pfeil "Pump" in Abb. 1). Da die negativ geladenen Elektronen die beiden positiven Kerne des Moleküls binden und nun eines fehlt, wird dadurch die Bindung schwächer und der Gleichgewichtsabstand der beiden Kerne vergrößert sich, angedeutet in Abb. 1 durch die blaue H2+-Potentialkurve mit dem neuen Minimum bei größerem Kernabstand R.
Das einfach ionisierte H2+-Molekül versucht nun sich dieser neuen Situation anzupassen; seine beiden Kerne laufen auf diese neue Position zu. Ohne Laserlicht würden die beiden Kerne um diese neue Ruhelage herum schwingen, das Wellenpaket würde oszillieren. Doch in Anwesenheit des Laserlichtes kann das Wellenpaket netto ein oder zwei Photonen aufnehmen und entlang zweier unterschiedlicher Wege (1 ω bzw. 2 ω) dissoziieren.
Welchen Weg das Molekül dabei nimmt, beobachteten die Wissenschaftler mit Hilfe eines sogenannten "Reaktionsmikroskops", das eine "hochauflösende Multikoinzidenzspektroskopie" ermöglicht und vor zehn Jahren in den Gruppen von Prof. Joachim Ullrich und Prof. Horst Schmidt-Böcking (Universität Frankfurt) sowie von Prof. L. Cocke (Kansas State University) entwickelt wurde. Die Wissenschaftler entrissen nach dem ersten Ionisationsschritt durch den Pump-Laserpuls mit einem zweiten Laserpuls dem Molekül auch das zweite Elektron ("Probe"). Weil sich die beiden positiv geladenen Kerne abstoßen, explodiert danach der Rest des Moleküls. Mit Hilfe des Reaktionsmikroskops kann nun der Impuls der Bruchstücke - und somit deren Energie - in allen drei Raumrichtungen gemessen werden. Damit lassen sich auf einer sehr kurzen Zeitskala Aussagen über die Moleküldynamik treffen.
Durch die Veränderung des zeitlichen Abstandes der Laserpulse modifizierten die Forscher dabei unter anderem die Form der Pulse, was zu einer Manipulation der Dissoziationswege führte. Je nach zeitlichem Abstand überlagern sich die Pulse konstruktiv oder destruktiv - Lichtwellen verstärken sich oder löschen sich aus. Dadurch bricht das Moleküls entlang des einen oder anderen Weges auseinander (schwarze und weiße Markierung in Abb. 2).
ABBILDUNGEN:
Abbildung 1: Die gemessene kinetische Energieverteilung der Protonen, aufgetragen gegenüber der Zeitdifferenz zwischen dem ersten und dem zweiten Laserpuls. Im abfallenden Energieband (hellblau bis grün) erkennt man zwei Wege, die das Wasserstoffmolekül nach der Ionisation durch den ersten (Pump-)Laserpuls nehmen kann. Diese zwei Wege sind nur in Anwesenheit eines intensiven Laserfeldes vorhanden. Das Molekül kann dann entweder durch die Nettoabsorption eines Photons (1ω) oder zweier Photonen (2ω) zerfallen. Mit Hilfe des zweiten, zeitlich verzögerten (Probe-) Laserpulses wird gemessen, welchen Weg das Molekül genommen hat.
Abbildung 2: Anhand der kinetischen Energie der Atomkerne lassen sich die unterschiedlichen quantenmechanischen Wege 1 ω und 2 ω unterscheiden. Hat das Proton eine Endzustandsenergie von etwa 0,7 eV, so entspricht dies einer Dissoziation des Moleküls entlang des Weges 2 ω (z.B. schwarz umrandeter Bereich), wohingegen Energien von etwa 0,3 eV einen Aufbruch entlang des Weges 1 ω bedeutet (z.B. weiß umrandeter Bereich). Die Interferenz des Laserlichtfeldes führt zu einer Modulation der Laserpulse und entscheidet darüber, welchen Weg das Molekül einschlägt.
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