Heidelberg - Einem internationalen Forscherteam ist es gelungen, die Fähigkeit der Tonwahrnehmung zu entschlüsseln. Diese liegt im Gehirn und erklärt, warum gleiche Töne von verschiedenen Personen sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Denn wie ein Ton klingt, hängt von Strukturen im Großhirn ab: Wer mehr Obertöne und damit eher lang ausgehaltene, tiefe Klänge hört, hat mehr graue Nervenzellsubstanz im "Hörzentrum" der rechten Großhirnrinde. Wer stärker den Grundton hört oder kurze, scharfe Töne bevorzugt, weist diese Besonderheit in der linken Hirnhälfte auf, berichten die Forscher in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature Neuroscience.
An der Studie haben neben Forschern der Sektion Biomagnetismus der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg haben auch Wissenschaftler der Universitäten Liverpool, Southampton und Maastricht mitgemacht. Insgesamt haben sie 420 Personen untersucht, die Mehrzahl davon Musikstudenten und Orchestermusiker. Die Forscher haben zunächst ermittelt, ob die Testpersonen zu der Gruppe der "Grundtonhörer" oder der "Obertonhörer" gehören. "Die beiden Hörtypen gibt es auch bei unmusikalischen Menschen", so Peter Schneider, Physiker, Kirchenmusiker und von der Heidelberger Arbeitsgruppe. Mit der Fähigkeit zum Grundton- oder Obertonhören ist allerdings auch die Verarbeitung von Musik verknüpft.
"Obertonhörer können lang ausgehaltene Klänge und Klangfarben besser wahrnehmen", erklärt Schneider. Diese Fähigkeit ist im rechten Hörzentrum angesiedelt. Die Grundtonhörer fielen dagegen durch eine virtuosere Spieltechnik und bessere Verarbeitung von komplexen Rhythmen auf, die mit der schnelleren Verarbeitung im linken Hörzentrum verknüpft ist. Die Forscher kommen zum Schluss, dass Orchestermusiker ihr Musikinstrument auch nach ihrem Hörtyp auswählen. Demnach spielen Grundtonhörer bevorzugt Schlagzeug, Gitarre, Klavier oder hohe Melodieinstrumente, Obertonhörer spielen eher tiefe Melodieinstrumente wie Cello, Fagott oder Tuba. Sänger sind eher Obertonhörer.
Das Forscherteam um Schneider hat in vorangegangenen Studien festgestellt, dass Musikalität zwar nichts mit den Hörtypen zu tun hat, aber sich ebenfalls in den Gehirnstrukturen festmachen lässt. So hatten die Wissenschaftler bereits festgestellt, dass professionelle Musiker mehr als doppelt so viele graue Hirnmasse im primären Hörzentrum haben wie unmusikalische Menschen. Außerdem reagiert ihr Gehirn, wie Magnetenzephalographie-Messungen zeigten, stärker auf Töne. Die Heidelberger Studie hat gezeigt, dass die Sitzordnung in einem Symphonieorchester der Fähigkeit zur individuellen Tonwahrnehmung folgt.
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