Reykjavík / Island- Ein Vulkanausbruch auf Island könnte eine Monate oder gar Jahre dauernde Klimaänderung mit den tiefen Temperaturen einer kleinen Eiszeit auslösen. Direkt oder indirekt würde das zahllose Todesopfer fordern. Hinweise auf solch eine Katastrophe geben Untersuchungen der Aktivität isländischer Vulkane und die Analyse eines gewaltigen Ausbruchs im 18. Jahrhundert an der Laki-Spalte im Südosten der Insel.
Die Folgen würden die gesamte Nordhalbkugel treffen. Durch die riesigen Mengen an elektrisch geladenen Partikeln der Vulkanasche könnte jede elektronische Kommunikation, auch mit Satelliten, komplett ausfallen. Die dichten Asche- und giftigen Gaswolken dürften für mindestens fünf Monate nicht mehr von Flugzeugen durchflogen werden, weil sie die Triebwerke lahmlegen würden. "Bei der großen Ausbreitung käme nahezu der gesamte Flugverkehr Europas und Nordamerikas monatelang zum Erliegen", so der isländische Vulkanologe Thorvaldur Thordarson, der an der Universität Hawaii arbeitet.
Die Parallele, die Thordarson sieht, liegt 222 Jahre zurück: Am 8. Juni 1783 brach die Laki-Spalte auf. Der entstandene Vulkan überschüttete die Insel mit riesigen Mengen feiner Asche und mit sehr großen Mengen giftiger und erstickender Gase. Schätzungen gehen in Island von rund 10 000 Todesopfern aus, 20 Prozent der damaligen Bevölkerung. Eine Gaswolke erstreckte sich nach zeitgenössischen Berichten über die gesamte Nordhalbkugel, veränderte hier für Monate das Wetter. Nach heutigen Schätzungen könnten in Frankreich und England 1783 und 1784 weitere 16 000 beziehungsweise 20 000 Menschen an den eingetretenen Luftverschmutzungen und extremen Temperaturen zusätzlich gestorben sein: Im Jahr 1783 und im extrem kalten Winter 1783/84 war die Sterblichkeitsrate in beiden Ländern um etwa 25 Prozent erhöht.
Der Laki-Vulkan war fünf Tage lang stark aktiv und spuckte noch weitere acht Monate schätzungsweise 15 Kubikkilometer Lava aus. Sie bedeckte eine Fläche von 580 Quadratkilometern. Dazu kamen nach heutigen Schätzungen 122 Millionen Tonnen Schwefeldioxid, sieben Millionen Tonnen Chlor- und 15 Millionen Tonnen Fluorwasserstoffsäure hinzu. Fast ganz Island wurde vergiftet, die Tierbestände schrumpften dramatisch zusammen, und sauberes Trinkwasser war nicht mehr verfügbar. Tiere und Menschen starben an einer akuten Vergiftung, weil das Trinkwasser viel zu große Mengen an Fluoriden enthielt. Außerdem wurden auch beträchtliche Mengen an Arsenverbindungen frei.
Die Chancen eines erneuten Ausbruchs des Laki oder nahegelegener Vulkansysteme läßt sich nur schwer abschätzen. Ein neuer gewaltiger Ausbruch gilt in diesem Jahrhundert jedoch als wahrscheinlich. Fachleute warnen davor und fordern, daß sich die Länder der Nordhalbkugel auf Not- und Hilfsmaßnahmen einigen sollten. Derzeit wäre man einer solchen Katastrophe hilflos ausgeliefert.
Der Pfarrer Jon Steingrimmson schrieb in seinen Aufzeichnungen 1783 folgendes: "Erdbeben leiteten das Unheil am Pfingsttag ein, trieben die Bauern aufs freie Feld, wo sie in Zelten hausten. Nach einer Woche stiegen unter Donnerschlägen riesenhafte Aschenwolken himmelan. Dem folgte die Lava, füllte glutfließend, die Wasser in Dampf verwandelnd, die Strombetten. Aus über 22 Ausbruchsstellen loderten hohe Flammensäulen. (...) Die Flut des Feuers ergoss sich mit der Geschwindigkeit eines großen, durch das Schmelzwasser angeschwollenen Flusses an einem Frühlingstag. In der Mitte der Feuerflut wurden große Felsen und Steinblöcke mitgeschwemmt, die sich wie riesige Wale beim Schwimmen tummelten, glutrot und leuchtend. (...) Der faule Geschmack der Luft, bitter wie Seetang und nach Fäulnis stinkend, war tagelang so intensiv, dass die Menschen kaum atmen konnten. Außerdem drang das Sonnenlicht nicht mehr durch. Alles war von Dunst eingehüllt. Erstaunlich, dass Menschen noch eine weitere Woche überleben konnten."
Die Ursache für das Rumoren unter Islands Boden liegt im mittelatlantischen Rücken, der fast vom Nordpol quer durch die Insel und weiter bis zur Antarktis verläuft. Hier bricht die Erdkruste auf, heißes Magma steigt aus dem Erdinneren auf und quillt ins Meer. In einigen Millionen Jahren könnte sich Island zu einem neuen mittelatlantischen Kontinent verbreitern
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